Noura

Noura war Schülerin der Willy-Brandt-Schule in Mülheim und schloss ihr Abitur als Jahrgangsbeste ab. Sie hatte immer den Traum, Ärztin zu werden und eines Tages bei"Ärzte ohne Grenzen" tätig zu sein. Als Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks hat sie nun ihr Medizinstudium begonnen.

Noura (22), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Hallo Noura, erzähl etwas über dich, wie alt bist du, wo kommst du her? Ich bin Noura, bin jetzt 22 Jahre alt, komme aus Syrien und bin seit ungefähr fünf Jahren in Deutschland. Ich habe in diesem Jahr mein Abi gemacht und fange wahrscheinlich im November mit dem Studium an.

Wie verlief deine Schulzeit? Welche waren deine Lieblingsfächer? Wie war dein schulischer Laufweg? Ich habe mit dem Abi in Syrien angefangen, dann mussten wir fliehen. In Deutschland wurde meine Schulbildung nur bis zum zehnten Schuljahr anerkannt. Deshalb musste ich die ganze Oberstufe wiederholen. 2017 habe ich hier mit der 11. Klasse angefangen. Die Schulzeit war am Anfang schwer, vor allem in der Einführungsphase. Ich war erst in Mecklenburg-Vorpommern auf einer beruflichen Schule. Schon damals war ich gut in Mathe und Chemie. Dann war ich ein Jahr in Mülheim auf einem Berufskolleg und danach bin ich zur Willy-Brandt-Gesamtschule gewechselt. Mathe und Chemie sind immer noch meine Lieblingsfächer. Deswegen hatte ich auch Chemie und Mathe als Leistungskurse.

Was machst du denn gerne in deiner Freizeit? Ich lese gerne Bücher und tanze gerne, zum Beispiel Zumba.

In welcher Form engagierst du dich? Ich habe in der Abizeit Mitschülern Nachhilfe gegeben. Vor allem in Chemie, Mathe und manchmal auch Spanisch. Außerdem betreue ich ein paar Mädchen, die aus Syrien kommen und in der Sekundarstufe 1 sind, aber die hier noch niemanden haben und deren Eltern noch nicht gut Deutsch sprechen. Das mache ich alles ehrenamtlich.

Jetzt nach dem Abi habe ich auch angefangen Arabischunterricht zu geben. Das mache ich wegen Corona online. Angefangen hat das mit meiner Schwester. Sie ist jetzt zehn Jahre alt. Seitdem sie sechs ist und zur Schule geht, waren wir jedes Jahr woanders. Also in einem anderen Land oder sie war auf einer anderen Schule. Deswegen hat sie nie die Möglichkeit gehabt wirklich Arabisch zu lernen. Und jetzt lernt sie Deutsch, aber diese Zweitsprache ist für sie schwierig. Sie hat vor allem Probleme mit der Grammatik. Als sie in ihrer Klasse Akkusativ und Dativ gelernt haben, habe ich versucht ihr das zu erklären, aber sie hat es nicht verstanden. Dann habe ich es auf Arabisch erklärt und das fand sie auch schwer. Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, dass ich mit den Grundlagen in beiden Sprachen anfangen muss. Denn die meisten Kinder in dem Alter, die aus Syrien kommen, haben kein Arabisch in der Schule gelernt. Und ich glaube, es ist wichtig beide Sprachen gut zu können. Auch wenn meine Schwester vielleicht mal nach Syrien zurückkehren will. 

Wie geht es jetzt für dich weiter? Ich habe mich jetzt für einen Studienplatz in Medizin und Zahnmedizin beworben. Ich glaube, dass ich eine Zulassung bekomme, sodass ich im Oktober oder November mit dem Studium anfangen kann. Nach dem Studium werde ich wahrscheinlich ein paar Jahre in Deutschland arbeiten, um Erfahrung zu sammeln. Aber ich möchte später auf jeden Fall bei Ärzte ohne Grenzen arbeiten. Das ist mein Ziel oder mein Traum. Und ich würde dann schauen, ob ich dadurch nach Syrien oder in andere Kriegsgebiete reisen kann. Das ist eigentlich der Grund warum ich Medizin studieren möchte.

Wie bist du auf diese Ideen gekommen? Durch den Krieg, den ich erlebt habe, und diese Hilfslosigkeit damals, weil man sieht wie Menschen sterben. Man möchte irgendwie helfen. Und ich finde, die Medizin ist der beste Weg.

Wie finden deine Eltern es, dass du jetzt eine Ausbildung/Studium/etc. machen möchtest? Sie finden das sehr gut und haben mich die ganze Zeit unterstützt. Vor allem in der Abizeit, um gute Noten zu schreiben und ein gutes Zeugnis zu erreichen. Meine Mama ist Mathematiklehrerin. Sie darf hier noch nicht arbeiten. Mein Papa ist Rechtsanwalt, er hat Jura studiert. 

Wie hast du vom Talentscouting erfahren und wie konnte das Talentscouting dich unterstützen? Über eine Lehrerin bin ich zum Talentscouting gekommen. Mit dem Talentscout Nam habe ich dann fast jeden Monat gesprochen. Ich habe ihm erzählt, dass ich Medizin studieren möchte und er hat mir erklärt, wie man sich bewerben kann und welchen Durchschnitt man an den Universitäten braucht. Sehr oft kam ich auch einfach zu ihm, wenn ich gar keine Motivation mehr hatte. Ich kann mich daran erinnern, dass ich einmal zu ihm gesagt habe, dass ich Informatik studieren möchte, weil man dafür keinen NC braucht und ich einfach keine Kraft mehr hatte zu lernen. Ich musste ja auch noch immer nebenbei Deutsch lernen. Das alles zusammen war einfach manchmal zu viel für mich.

Er hat mich die ganze Zeit unterstützt und durch diese Motivation und Unterstützung habe ich jetzt mein Abitur geschafft. Letzte Woche habe ich den Test für Medizinische Studiengänge (TMS) geschrieben. Der kann die Chancen auf einen Medizin-Studienplatz verbessern. Nam hat mir davon erzählt. Ohne das Talentscouting hätte ich den TMS wahrscheinlich gar nicht dieses Jahr geschrieben, sondern erst nächstes Jahr, weil man sich darauf nur im Dezember bewerben kann und ich das nicht wusste. Dadurch habe ich viel Zeit gespart. Ohne das Talentscouting hätte ich außerdem auf keinen Fall ein Stipendium.

Hast du an Veranstaltungen des Talentscoutings teilgenommen (Talent-Talk, Workshops, etc.) Ja, an einem Workshop, bei dem wir über verschiedene Stipendien gesprochen haben. Dank diesem Workshop habe ich mich bei dem Avicenna-Studienwerk beworben und bin angenommen worden.

Ich werde also ab Anfang meines Studiums durch das Studienwerk gefördert. Ohne das Talentscouting hätte ich davon gar nichts gewusst.

Das Stipendium hilft mir nicht nur finanziell, sondern die Förderung ist auch ideell. Man kann sehr viele Menschen kennenlernen, die ähnliche Interessen haben. Es gibt auch jeden Monat Treffen mit anderen Studierenden und dadurch wird der Horizont erweitert. Das ist sehr wichtig für mich.

Was würdest du anderen Schülerinnen und Schülern, die sich gerade in der Studien- und Berufswahl befinden, empfehlen? Ich kam ungefähr mit 17 nach Deutschland. Ich hatte nicht die Möglichkeit Praktika zu machen oder etwas auszuprobieren, bevor ich mich für das Studium beworben habe. Ich würde aber auf jeden Fall empfehlen, Praktika zu machen, also einfach alles ausprobieren. Wenn man zum Beispiel sagt, ich möchte Informatik studieren, ist es nochmal was ganz anderes dann auch acht Stunden am Tag in diesem Bereich zu arbeiten. Also lieber erstmal ein Praktikum machen und zum Beispiel zu Unis gehen, wenn es Infoveranstaltungen gibt. Und die Hilfe von Menschen wie den Talentscouts nutzen. 

Welche persönlichen Hürden hast du erlebt? Erstmal die Flucht nach Deutschland. Dann die Sprache, also das Problem, dass man kein Deutsch konnte. Das Schulsystem an sich, das einfach total anders war als in Syrien und der Durchschnitt, den man haben muss, um überhaupt studieren zu können. Das war die ganze Zeit ein Problem. Ich musste sehr gute Noten schreiben, um diesen Durchschnitt zu schaffen.

Ich wusste dann im letzten Schuljahr zwar, dass ich gute Noten habe, aber ich konnte gar nicht einschätzen wie die Abiklausuren waren. Dann habe ich das Ergebnis bekommen. Das ist natürlich ein sehr schönes Gefühl, wenn man sieht, dass man erreicht hat, was man die ganze Zeit wollte.

Was ist dein größter Traum?

Mein größter Traum ist nach dem Studium mit Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten, sodass man überall medizinische Hilfe leisten kann. Dass man sich also nicht mehr hilflos fühlt und wirklich etwas dagegen tun kann. Natürlich wäre der bessere Traum, dass es keine Kriege mehr gibt.

Wenn du einen Workshop halten würdest, was wäre dann das Thema? Social Media und Realitäten. Also wie stark die sozialen Medien unser Leben beeinflussen. Ich merke einfach, dass besonders Jugendliche die ganze Zeit am Handy sind und das reale Leben nicht wirklich leben und sich sehr stark davon beeinflussen lassen. Ich würde einen Vortrag darüber halten, wie schön das Leben ohne diese sozialen Medien ist.

Ich bin ein Talent, weil…? ich den Willen und die Motivation behalten habe und es durchgezogen habe. Wenn ich mir etwas vornehme, ist das mein Ziel und das verliere ich nicht aus den Augen. Das gilt nicht nur für die Abizeit, sondern generell im Leben.

Dann wünschen wir dir einen erfolgreichen Start für dein Medizinstudium und bleiben in Kontakt. Vielen Dank für den Einblick von deiner Schulzeit bis hin zum Studium. Viel Erfolg, Noura!

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