Mohammad

In der Schule dachte Mohammad zunächst, dass er Architekt wird – mittlerweile studiert er erfolgreich und passioniert Zahnmedizin. In seinem Talentportrait erzählt er uns, wie wichtig es ist, sich praktisch auszuprobieren, um den Beruf zu finden, der wirklich zu einem passt.

Mohammad, 22, Heinrich-Heine-Universität

Hey Mohommad, erzähl etwas über dich, wie alt bist du, wo kommst du her, was machst du aktuell? Hi, ich heiße Mohammad, werde auch Mo genannt. Ich bin 22 Jahre alt, kurdischer Herkunft und komme aus Syrien. Ich bin in Bottrop auf die Janusz-Korczak-Gesamtschule gegangen und im Oktober 2024 fürs Studium nach Düsseldorf gezogen – ich studiere nun an der Heinrich-Heine-Universität Zahnmedizin. Ich liebe Sport – vor allem Fußball – und verbringe gerne Zeit mit Freunden und Familie. Ansonsten… ich liebe Essen (lacht).

Hast du einen Tipp für die Foodies unter uns? Ohh… ich gehe zum Beispiel gerne zu „Take – The Good Food“ – ist echt sehr, sehr gut, ist in Düsseldorf in der Altstadt.  

Wie gefällt es dir in deiner neuen Wahlheimat? Ich bin sehr, sehr zufrieden in Düsseldorf. Die Stadt und die Uni gefallen mir sehr – also ich bereue die Entscheidung auf keinen Fall, hierher gezogen zu sein. Ich bin aber natürlich auch noch regelmäßig in Bottrop, um meine Familie zu sehen.

Bevor wir über dein Studium sprechen, nimm uns doch noch mal mit in deine Schulzeit – wie war das damals für dich? Ich bin 2015 mit meiner Familie nach Deutschland geflüchtet. Wir waren davor ein Jahr in der Türkei und sind dann hierhergekommen – ich habe in der Förderklasse angefangen Deutsch zu lernen und konnte irgendwann am normalen Unterricht teilnehmen. Ich hatte so mittelmäßige Noten, ich war eigentlich kein besonders guter Schüler. Ich hatte anfangs irgendwie nicht so viel Interesse an Schule. Als sich mein Deutsch mit der Zeit verbessert hat und ich die Sprache immer mehr beherrscht habe, hat sich auch mein Interesse vergrößert. Ich habe mich dann dazu entschieden mein Abitur zu machen und habe es mit einem Notendurchschnitt von 1,4 abgeschlossen. Ich war während meiner Schulzeit RuhrTalent, bin mittlerweile Talentpate und engagiere mich als Ansprechperson für Schüler:innen, die einen Einblick in das Studium an der HHU, insbesondere im Fach Zahnmedizin, bekommen möchten und bin Semestersprecher in meinem Studiengang. Seit letztem Oktober bin ich Stipendiat bei der Hans Böckler Stiftung. Auch dort bringe ich mich ein – z.B. bei den Auswahlgesprächen neuer Stipendiat:innen und dem Verfassen der Gutachten im Bewerbungsprozess. Ich habe das nun zwei Mal gemacht und es macht mir echt Spaß.

Und so „ganz nebenbei“ studierst du noch Zahnmedizin (lacht)! Ach ja, ist mein Nebenjob (lacht). Nee, Zahnmedizin ist schon echt sehr anstrengend. Also, klar weiß man, dass Medizin inhaltlich schwer ist, aber was ich gar nicht auf dem Schirm hatte, ist, dass es praktisch auch sehr anspruchsvoll ist. Man muss handwerklich echt begabt sein, was ich zum Glück bin. Ich hatte in der Schule Kunst LK – ich kann gut malen und zeichnen und mit der Hand arbeiten. Wir haben damals z.B. mit Ton Skulpturen gemacht, das konnte ich echt gut und das spiegelt sich mittlerweile auch im Studium wider. Wir mussten im Praktikum der Dentalen Technologie z. B. Zähne präparieren – man denkt, man geht dabei einfach nur mit Maschinen über die Zähne, aber in Wirklichkeit ist es eine sehr präzise und detailreiche Arbeit und irgendwie auch eine „Kunst“.

Nimm uns mal mit in so eine praktische Übung – wie genau dürfen wir uns das vorstellen? In den ersten zwei Jahren haben wir Phantomköpfe und Zähne aus einem Material, das echten Zähnen sehr nahekommt. Diese Zähne präparieren wir, und das Ergebnis wird bewertet – z. B. ob die Form korrekt ist, die Oberflächen gleichmäßig sind und die Dimensionen stimmen. Wir haben auch einen Wachsblock bekommen und müssen mit dem Messer bestimmte Zähne nachahmen. Also es ist sehr handwerklich und künstlerisch angelegt.

Was würdest du sagen, sollte man alles an Stärken und Voraussetzungen mitbringen, um Zahnmedizin zu studieren? Also handwerkliches Geschick auf jeden Fall! Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz – es ist inhaltlich sehr anspruchsvoll und man wird mit Herausforderungen konfrontiert und man darf nicht aufgeben, auch, wenn man das Gefühl hat, gerade nicht hinterherzukommen. Dann muss man natürlich auch bereit sein, seine Freizeit zu opfern.

Was war für dich bisher die größte Herausforderung im Studium? Chemie. Chemie und ich sind keine guten Freunde. Ich hatte seit der 10. Klasse keinen Chemieunterricht mehr, viele andere hatten es sogar als LK und haben daher natürlich einen Wissensvorsprung. Dafür bin ich in Kunst besser. Wichtig ist, die eigenen Stärken zu nutzen und gleichzeitig an den Schwächen zu arbeiten.

Also würdest du sagen, dass ein Faible für Chemie auch von Vorteil wäre? Es wäre gut, ja, aber es muss nicht. Ich war halt auch nicht besonders gut und dennoch habe ich es durch sehr intensives lernen geschafft. Aber handwerkliches Geschick darf auf keinen Fall fehlen. Chemie kann man lernen – ich lerne immer in einer Lerngruppe, so kann man sich gut gegenseitig unterstützen und sich Aspekte gegenseitig erklären. Lerngruppen helfen einem auch dabei, nicht die Motivation zu verlieren und dranzubleiben.

Was wäre noch gut zu wissen, bevor ich mich entscheide, Zahnmedizin zu studieren? Es ist ein sehr teures Studium. Ich glaube sogar einer der teuersten Studiengänge in Deutschland. Man muss sehr viel für Materialien ausgeben. Wir haben z. B. einen sogenannten „Vorklinikkoffer“ – darin ist alles enthalten, was wir für die Vorklinik brauchen. Ich meine, dass ich schon ungefähr 2100€ für all die Materialien gezahlt habe. Da bin ich froh, dass ich das Stipendium bei der Hans Böckler Stiftung habe und ich schaue halt, wo ich sparen kann. Aber davon lasse ich mich nicht abhalten, meinen Traum zu verfolgen.

Was hat dich denn aktiv für die HHU entscheiden lassen? Ich mag das System sehr. Es ist ein Modellstudiengang und jedes Semester ist in zwei Themenblöcken strukturiert. Pro Semester schreiben wir dann zwei Klausuren – also zu jedem Themenblock eine Klausur. In der Klausur werden dann alle Fächer dieses Themenblocks geprüft – also da sind dann z.B. 17 Anatomiefragen, 13 Chemiefragen, 10 Physikfragen usw. Und das coole ist, dass sich die Bereiche ausgleichen. Wenn man z.B. sehr viele Punkte in Anatomie geholt hat und in Chemie weniger, also theoretisch Chemie nicht bestanden hätte, kommt man durch die erreichte Gesamtpunktzahl trotzdem erst mal weiter.

Das ist also deine Rettung für Chemie (lacht)? Das dachte ich auch am Anfang. ABER – letztendlich muss ich am Ende der ersten zwei Jahre trotzdem in jedem Fach eine bestimmte Leistung erreicht haben. Wenn ich also in der ersten Klausur weniger Punkte in Chemie erreicht habe, muss ich das in einer späteren Klausur ausgleichen. Man muss die nächste Klausur also quasi doppelt so gut schreiben wie normalerweise zum Bestehen nötig wäre, um die fehlenden Punkte auszugleichen.

Ist das nicht auch total anstrengend, in allen Fächern an einem Tag geprüft zu werden? Es hört sich schrecklich an, aber ich komme damit gut klar. Außerdem liebe ich Düsseldorf einfach und wollte schon immer hier leben.

Wie war der Schritt für dich – von Bottrop nach Düsseldorf zu ziehen? Ich war vorher schon oft in Düsseldorf und bin ja noch immer regelmäßig Zuhause, daher fühlt sich das für mich nicht wie eine klare Trennung an. Aber klar, Düsseldorf ist natürlich viel größer, viel aktiver, viel lebendiger. Ich kannte anfangs niemanden, habe aber viele neue Freunde im Studium kennengelernt. Da braucht man sich gar keine Sorgen zu machen, finde ich.

Das ist schön, dass du das sagst. Davor haben viele Talente ja ein wenig Angst – alleine in eine neue Stadt zu ziehen. Kann ich verstehen. Ich bin da aber sehr offen. Wenn Düsseldorf nicht geklappt hätte, wäre ich auch nach München gegangen oder so. Mein Traum ist mir sehr wichtig, dafür wäre ich auch weiter weggezogen.

Apropos Traum – nimm uns doch mal mit auf die Reise, wie du darauf gekommen bist, dass es Zahnmedizin ist! Also, so ein langer Traum war es auch nicht (lacht). Ich dachte, dass ich Architektur studieren möchte, da es auch sehr künstlerisch ist. Ich habe dann Praktika in dem Bereich gemacht und habe dabei festgestellt, dass mir das doch zu wenig Interaktion war – die ganze Zeit vor einem Rechner zu sitzen und irgendwas zu malen. Ich habe mir dann alle möglichen Berufe angeschaut, war auf Messen, Seminaren und habe Veranstaltungen besucht. Bei den RuhrTalenten hatten wir u.a. auch die Veranstaltungen „Meet the professionals“ – da habe ich mich mit einem Zahnarzt unterhalten können. Mir haben die Aspekte des handwerklichen und ästhetischen Arbeitens total gefallen. Dazu kam, dass mir durch das Praktikum klar wurde, dass ich mit Menschen arbeiten möchte, was natürlich auch bei dem Beruf als Zahnarzt gegeben ist. Ich würde nicht sagen, dass ich diesen einen Aha-Moment hatte – ich habe vielmehr abgewogen, was am meisten zu mir passt. Damals war ich noch im Zwiespalt zwischen Humanmedizin und Zahnmedizin, habe dann aber ein Praktikum beim Zahnarzt und mein FSJ im Krankenhaus gemacht. So habe ich beide Bereiche gut kennengelernt und konnte für mich eine klare Entscheidung treffen. Ich bin z.B. nicht gut mit dem Schichtdienst im Krankenhaus zurechtgekommen – für mich ist ein geregelter Rhythmus besser. Ich arbeite lieber von 8 bis 17 Uhr und habe dann Feierabend. So stelle ich mir mein Leben eher vor.

Ich empfehle allen Schülerinnen und Schülern viele Praktika zu machen, sich auszuprobieren und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen! Fragt die Leute, was sie beruflich machen, lasst euch von den Vor- und Nachteilen erzählen – man bekommt dadurch einen guten Einblick in die Berufe und bekommt die Frage am besten gelöst, was zu einem passen könnte.

Hey Mohammad, du hast dir, nachdem du zunächst mittelmäßige Noten hattest, einen Einserschnitt erarbeitet, hast dich durch den „Dschungel an beruflichen Möglichkeiten“ durchgearbeitet, bis du deinen Traumberuf gefunden hast und bist nun in einem zeitintensiven und anspruchsvollen Studium – wie schaffst du das denn, immer dranzubleiben und nie aufzugeben? Ich sehe mich als jemanden, der alles schaffen kann. Das klingt vielleicht komisch, aber man soll sich immer als der oder die Beste sehen. Wenn du selbst nicht an dich glaubst, wieso sollte es jemand anderes tun? Ich glaube, wenn man etwas wirklich will, dann kann man alles schaffen. Die Geschichte, die mich am meisten inspiriert hat, ist die von Cristiano Ronaldo. Er ist in Portugal in Armut aufgewachsen, seine Mutter wollte die Schwangerschaft ursprünglich abbrechen, da sie kein Geld hatte, ein Kind großzuziehen – und aus diesen Verhältnissen ist er zu einem der besten Fußballer aller Zeiten geworden. Seitdem glaube ich, dass man alles schaffen kann!

Alex meinte mal zu mir, dass Mut sich manchmal wie Angst anfühlt. Manchmal denkt man, dass man etwas nicht kann und hat Angst, es nicht zu schaffen; dann dranzubleiben und sich den Challenges zu stellen, ist Mut! Aufgeben habe ich nie als Option gesehen.

Da wir gerade von Alex sprechen – wie hast du eigentlich vom Talentscouting erfahren? Ich glaube das war direkt zu Beginn der 11. Klasse. Nam hatte sich damals bei uns vorgestellt und ich habe mich daraufhin in die Liste eingetragen. Meine Eltern haben beide nicht studiert, ich kannte mich mit dem Bildungssystem nicht aus und hatte wenig Ansprechpartner, Kontakte oder Vorbilder, um mich zu orientieren. Nam und Alex haben mir damals sehr geholfen – sie haben mich immer bestärkt, mir Tipps mitgegeben und mir Perspektiven und Türen geöffnet, die ich gar nicht kannte. Ich habe z.B. von den RuhrTalenten erfahren, dort konnte ich viele Seminare und Veranstaltungen besuchen, praktische Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen. Ich bin den beiden und den Programmen generell sehr dankbar, weil mir das Talentscouting und die RuhrTalente enorm geholfen haben, mich zu orientieren.

Wenn du einen Workshop halten würdest, was wäre dann dein Thema? Ich glaube ich würde von positiven Lebensgeschichten erzählen – vielleicht würde ich es in einen Podcast umwandeln und immer wieder Menschen einladen, die von ihrem Weg berichten. Ich finde negative Nachrichten gibt es genug, daher würde es mich mit Freude erfüllen, positive Geschichten zu fokussieren und anzuerkennen. Alternativ würde ich einen Mal- und Zeichenworkshop für Kinder geben. Sowas würde mir auch Spaß machen.

Zum Schluss noch unser berühmtberüchtigter Satz: „Ich bin ein Talent, weil…?“

Ich bin ein Talent, weil ich nicht aufgebe. Ich glaube, dass jeder ein Talent sein kann – es ist keine angeborene Fähigkeit, sondern etwas, was man sich erarbeitet.

Talent Mohammad

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