Gwan

Gwan ist Schüler der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Bottrop und kam 2016 mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland. Seitdem engagiert er sich u.a. schulisch sowie politisch und ist Stipendiat und Regionalsprecher der START-Stiftung.

Gwan, 18, Janusz-Korczak-Gesamtschule Bottrop

Hallo Gwan, erzähl etwas über dich, wie alt bist du, wo kommst du her? Ich bin Gwan, ich bin 18 Jahre alt und besuche die 11. Klasse der Janusz-Korczak-Gesamtschule. Ich komme ursprünglich aus Syrien. Ich bin Ende 2016 in Deutschland angekommen und lebe aktuell jetzt seit vier Jahren in Bottrop, im Pott.

Wie verlief deine Schulzeit? Wie war dein schulischer Laufweg? Also meine Muttersprache ist Kurdisch, aber in der Schule habe ich natürlich die Amtssprache Arabisch gelernt. Ich bin in Syrien auch ganz normal mit der Grundschule gestartet und habe in der weiterführenden Schule die 8. Klasse sehr erfolgreich abgeschlossen. Als die Vorbereitungen auf die Prüfungen für den vergleichbaren mittleren Schulabschluss gestartet sind, begann unser Weg nach Deutschland, der drei Monate gedauert hat. Nach einem Einführungskurs in Soest ging es nach Bottrop und dort habe ich dann direkt die Schule besucht, in der internationalen Förderklasse der JKG.
Ich habe viel Deutschunterricht gehabt und jeden Tag sehr viel gelernt. Ich war in der internationalen Förderklasse der stärkste Schüler, der dann auch nach fünf Monaten in die Regelklasse, die 8. Klasse, weitergehen durfte. Da hatte ich dann auch plötzlich natürlich alle anderen Fächer, die ich vorher nicht gehabt hatte. Die Fachbegriffe in Chemie, Physik oder Bio musste ich mir echt erkämpfen und am Anfang ist es mir nicht leichtgefallen. Ich habe mich echt durchgekämpft, war in der 9. und 10. aber gut integriert und hatte dann am Ende der 10. Klasse einen Schnitt von 1,2. Ich wurde dann auch ermutigt, in die Oberstufe zu gehen und mein Abitur zu machen. Die Lehrerinnen und Lehrer haben gedacht, dass ich das schaffe.

Was hat dich in der Zeit besonders motiviert und unterstützt? Ich war nach der Pause, der Unterbrechungsphase der Schule gut drauf und motiviert und habe mich darauf gefreut, ein klares Ziel vor Augen zu haben. Ein Lehrer hat mich besonders unterstützt, dem ich immer noch sehr dankbar bin.
In der 9. Klasse bin ich auf die Uni Duisburg-Essen aufmerksam geworden. Durch den Förderunterricht der Mercator-Stiftung bei einem Studierenden – mit dem ich nun immer noch Kontakt und sozusagen Unterricht hab – hat mich ermuntert, mich bei der START-Stiftung zu bewerben. Er kannte mein Engagement bei Solidarität e.V. und meinte, meine Sprachkenntnisse wären gut genug. Über Umwege habe ich dann auch den Talentscout Kilian der Uni Duisburg-Essen kennengelernt, der mich unterstützt hat. Ich habe mich dann beworben und habe eigentlich nicht gedacht, dass ich das Stipendium der START-Stiftung bekomme. Irgendwann lag ich dann abends im Bett und habe meine Mails gecheckt und habe dann die Zusage gesehen. Das Stipendium ist fantastisch, man lernt so viele unglaublich tolle Menschen kennen.

Und wie geht es jetzt für dich weiter? Mein Ziel war schon lange Medizin. Mal war der Gedanke an Zahnmedizin oder Pharmazie da, aber nun steht es schon fest, dass es Medizin wird. Was ich noch nicht weiß, ist, ob ich direkt anfange zu studieren oder vorher noch ein FSJ mache. Nebenbei möchte ich auch weiter in der Politik engagiert bleiben. Mich interessiert das und es ist auch mega spannend, Politik zu machen und Mitspracherecht zu haben.

Kannst du dich noch daran erinnern, wie du auf diese Ideen gekommen bist? Ich habe vor zwei Jahren meine Oma verloren und sie hat mich ermuntert, etwas mit meiner Bildung zu schaffen. Das beeinflusst mich emotional schon. Meine Mutter ist auch wegen mir und meinen Möglichkeiten nach Deutschland gekommen. Sie hat ihren Beruf als Lehrerin aufgegeben und ich möchte meine Eltern nicht enttäuschen und unbedingt studieren. Naturwissenschaften sind mein Ding und als Mediziner kann man Menschen helfen, wird wertgeschätzt und verdient natürlich auch nicht schlecht. Außerdem wird ein Medizinstudium überall anerkannt, was mir und meinen Eltern auch wichtig ist. Mein Praktikum in der Mund- und Kieferchirurgie war auch sehr spannend.

Was machst du denn gerne in deiner Freizeit? Was hast du für Hobbys und wie engagierst du dich? Meine Freizeit ist etwas aufgeteilt. Also natürlich brauche ich auch etwas Ausgleich. Ich spiele eigentlich Tischtennis und treffe mich mit meinen Freunden. In der zweiten Hälfte ist Engagement angesagt. Ich bin wie gesagt immer noch bei Solidarität e.V. aktiv. Dort beschäftigt man sich als Reporter mit gesellschaftlichen Themen und stellt kritische Fragen. Ich bin dabei der Reporter vor der Kamera und spreche mit den Menschen auf der Straße. Das ist ein kleines Team mit nur Schülerinnen und Schülern. Dann bin ich noch im Jugendparlament der Stadt Bottrop aktiv und dort auch Sprecher. Dadurch bin ich in den Kinder- und Jugendrat NRW gewählt worden. Bei der START-Stiftung bin ich Regionalsprecher und in der Schule bin ich Schüler-Sprecher. Das sind die groben Dinge, wo ich aktiv mitmache, aber es gibt auch noch einige kleine Sachen.

Wie hast du vom Talentscouting erfahren und wie konnte das Talentscouting dich unterstützen? Also zu Beginn habe ich wie gesagt erstmal das Talentscouting der Uni Duisburg-Essen und den Kilian kennengelernt. Ich wusste überhaupt nicht, was das war, aber es ist ja immer schön, sich mit Menschen zu unterhalten, die einen unterstützen können. Wir hatten regelmäßig gesprochen und er hat mich auf Projekte aufmerksam gemacht. Studium war damals noch nicht so das Thema, aber auch da hat Kilian mir Studiengänge der Uni Duisburg-Essen gezeigt und so habe ich auch z.B. gemerkt, dass Politikwissenschaften gar nicht zu mir passt als Studium. In der Oberstufe bin ich dann an meinem Schließfach vorbeigelaufen und habe auf einer Liste gesehen, dass man Termine beim Talentscout Nam machen kann. Ich war verwundert, dass es das auch in Bottrop gibt und habe Nam bei einem Termin angesprochen und wir sind ins Gespräch gekommen Es ist toll, auch die Möglichkeit wahrzunehmen, vor Ort an der Schule Gespräche zu haben. Ich nehme Nam auch nicht als Talentscout wahr, sondern wie einen besten Freund oder einen älteren Bruder, der mir Tipps geben kann und ihm bin ich wirklich unglaublich dankbar, wie Kilian auch. Es ist fantastisch mit ihm zu sprechen. Es geht nicht immer nur darum, wie es weitergeht.

Wie ich bisher vom Talentscouting profitieren konnte, kann ich gar nicht aufzählen – Selbstentfaltung, vertrauliche Gespräche, sehr viele Informationen, Workshops.

Talentscouting bzw. die Gespräche machen dir wirklich die Augen auf und sind dafür da, dass du auch in schwierigen Phasen weißt, an wen du dich wenden kannst.

An welchen Veranstaltungen des Talentscoutings hast du neben der Beratung teilgenommen? Einmal an dem Workshop „Prüfungs-Überlebens-Training“ und was ich machen wollte, war am TalenteNetzwerkTreffen teilzunehmen, aber das ging zeitlich leider nicht. Ansonsten an vielem, was ihr bei Insta postet, z.B. Stip-Messe, Schnuppervorlesungen und so weiter. Was ich auch mitgenommen habe, ist die Kontaktherstellung zu verschiedenen Personen an Universitäten, aber auch zu Studierenden.

Welche persönlichen Hürden hast du bislang genommen bzw. nehmen müssen? Ich habe viel Verantwortung übernommen. Mir war es wichtig, dass meine Eltern gut in Deutschland ankommen. Zunächst sind nur meine Mutter und mein jüngerer Bruder mit mir gekommen und mein Vater konnte erst später durch eine Familienzusammenführung nachkommen. Da kamen auch viele bürokratische Sachen und viel Papierkram, die man übersetzen muss. Die Eltern lernen die Sprache ja nicht so gut, wie ich in der Schule.
Schulisch war definitiv die Sprache eine Herausforderung. Ich bin froh, dass ich auf so viele offenen Menschen getroffen bin, die mir die Integration und das Lernen der Sprache erleichtert haben.

Mit diesen Erfahrungen, die du gesammelt hast: Was würdest du anderen Schülerinnen und Schülern empfehlen, die sich gerade in der Studien- und Berufswahl befinden?

Jeder sollte versuchen, seine Persönlichkeitsentwicklung anzugehen und auch sein Selbstvertrauen zu stärken. Da auch z.B. zum Talentscouting gehen. Dafür ist es da.

Man darf aber auch nicht faul sein und ich würde empfehlen, aktiv zu bleiben. Man sollte etwas wagen, seine Angst versuchen zu überwinden und sich auch mal durchkämpfen.

Wenn du einen Workshop halten würdest, was wäre dann dein Thema? Jetzt aktuell würde ich ein Seminar geben zum Thema über Selbstentfaltung und Achtsamkeit in der Corona-Pandemie. Distanzunterricht hat ja nicht bei jedem so gut geklappt und es war für einige auch eine keine leichte Zeit.

Zum Schluss die wichtigste Frage. Vervollständige diesen Satz: „Ich bin ein Talent, weil…?“ … ich es geschafft habe, viele Hürden zu überwinden – Sprache, Integration – und weil ich mich schulisch durchsetzen kann. Für mich gibt es kein Aufgeben. Ich bin engagiert und setze mich für andere ein.

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